Ein Film von Dario Azzellini und Oliver Ressler
67 min., SD, AT/DE 2004
In Venezuela findet seit der Regierungsübernahme durch Hugo Chávez 1998 eine tiefgreifende soziale Transformation statt, die als Bolivarianischer Prozess bezeichnet wird. Es handelt sich um einen breiten Prozess der Selbstorganisierung, aus dem heraus sich eine progressive Verfassung, ein Arbeitsrecht, neue Bildungsmöglichkeiten und eine Vielzahl weiterer Reformen für die verarmte Bevölkerungsmehrheit des potentiell reichen Staates entwickelten. Die sich offen gegen den Neoliberalismus wendende Politik der Regierung erfährt allerdings von den Großunternehmern Venezuelas wie von den USA eine vehemente Ablehnung, die sich in zwei Putschversuchen und Boykotten ausdrückt. Trotzdem genießen Chávez und seine Regierung das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung. Die Gesellschaft ist stark politisiert; viele Menschen, die vorher nie darüber nachgedacht haben, was sie verändern wollten, sind jetzt Teil des im Land stattfindenden tiefgreifenden Wandels.
Im Film „Venezuela von unten“ kommen die wahren Akteure des sozialen Prozesses zu Wort: die Basis. Nach einer Einleitung des Philosophen Carlos Lazo berichten Arbeiter des Erdölunternehmens PDVSA in Puerto La Cruz, wie sie während der als Streik verkauften Erdölsabotage 2002/2003 die Raffinerie vor dem Ausfall bewahrt haben und die Erdölproduktion wieder in Gang gesetzt haben. Einige Bäuer_innen einer neu gegründeten Kooperative in Aragua berichten von ihrem Selbstorganisierungsprozess, über die Alphabetisierungskampagne und wie es weiter gehen soll. Ein Frauenbankprojekt in Miranda und einige Kreditnehmerinnen aus dem Armenstadtteil 23 de Enero in Caracas stellen ihre Projekte vor. Eine Indígena-Gemeinde am Orinoco in Bolívar spricht darüber, wie sich ihre Forderungen und Kämpfe in der Verfassung widerspiegeln und was sich für sie verändert hat. Arbeiter aus der besetzten Nationalen Ventilfabrik in Los Teques und der Papierfabrik Venepal in Carabobo – die von 350 Arbeiter_innen besetzt wurde, nachdem der Besitzer sie in den Konkurs geführt hatte und die nun nach einer Teileinigung wieder produziert – reden über korrupte Gewerkschaften, Arbeiterkontrolle und ihre Kämpfe. Protagonist_innen der Revolutionären Bewegung Tupamaro, der Kulturstiftung Simón Bolívar, der linken Webseite www.23.net und der bolivarianische Zirkel Abrebrecha aus dem 23 de Enero berichten von ihrer Arbeit und was sich für sie durch die gesellschaftlichen Umwälzungen geändert hat. Es sind die Menschen von der Basis, die darüber sprechen, was sie getan haben und tun, wie sie zum Bolivarianischen Prozess stehen, was ihre Erwartungen und Vorstellungen sind. Sie verstehen sich als Teil des stattfindenden Prozesses, problematisieren aber auch zahlreiche Punkte. Denn die Suche nach sozialen und ökonomischen Modellen jenseits des Neoliberalismus ist kein leichtes Terrain, es gibt bisher keine erfolgreich erprobten Alternativen. Für die Protagonist_innen des Bolivarianischen Prozesses ist allerdings ein Weg beschritten worden, von dem es kein zurück mehr gibt.
Konzept, Interviews, Schnitt, Realisation: Dario Azzellini & Oliver Ressler
Kamera: Volkmar Geiblinger
Bildbearbeitung und Titeln: Markus Koessl
Gesprächspartner_innen: Titina Azuaje, Gustavo Borges, Stalin Pérez Borges, Juan Brizuela, Bertha de Castillo, José Ramón Castillo, Eduardo Daza, Arlenis Espinal, Freddy Farias, Juán Fermín, José Flores, Randy García, Círe y Guarán, Sandra Heredia de Goncalves, Juana Catalina Guzman, María Elisa Irazabal de Píneda, Natalí Jaimes, Carlos Lazo, Henry Mariño, Maritza Marquez, Esther de Mena, Esteban Michelena, Argelia Naguanagua de Ramos, Emma Ortega, Edgar Peña, Judith Sánchez, José Mercedes Sifontes, Alfonso Tovar, Antolino Vasquez, Eduardo Yaguaracuto
Förderungen: Kunstsektion des BKA, Stiftung Umverteilen