Ein Forschungsprojekt von Ines Doujak und Oliver Ressler
In Zusammenarbeit mit einer Gruppe von internationalen Künstler-Kurator_innen
Secession, Wien (AT), 2014
Württembergischer Kunstverein, Stuttgart (DE), 2015
MOCAK – Museum of Contemporary Art, Krakau (PL), 2016
Wir begreifen “Utopie” als eine immer schon unvollständige Alternative: die innerhalb des Bestehenden erfolgende Anrufung von etwas, das damit unvereinbar ist, ja ihm feindlich gegenübersteht. Es handelt sich also um eine Negation des Bestehenden, die Feststellung, dass “etwas fehlt”, aber auch das zwangsläufig unvollkommene Bekenntnis zu dem, was (noch) nicht ist.
Das Projekt erkundet utopische Projektionen, die der Abspaltung – der Sezession – von unserer konkreten Gegenwart und dem Widerstand gegen sie dienen könnten. Bei dieser “negativen” oder “kritischen” Version des utopischen “Impulses” geht es nicht nur um Satire oder die Auflistung dessen, was mit unserer Welt nicht stimmt (als könnte eine solche Auflistung die Welt ändern). Utopie ist vielmehr die Behauptung des Unrealisierten im Realen und gegen das Reale.
Den Auftakt zu “Utopian Pulse – Flares in the Darkroom” bildete der SALON KLIMBIM am 23. Januar 2014, orchestriert vom Künstler-Kurator Fahim Amir und von Ines Doujak in Korrespondenz mit Oliver Ressler.
Von Februar bis September 2014 wurden unter dem Titel URGENT ALTERNATIVES: UTOPIAN MOMENTS sieben großformatige Transparente (9 x 3,4 Meter) an der Fassade der Secession präsentiert. Die Aufstände und sozialen Bewegungen der letzten Jahre bildeten dabei die inhaltliche Klammer. Die beteiligten Künstler_innen waren eingeladen, den utopischen Impuls dieser Aktionen und Bewegungen in den Blick zu nehmen. Sie alle waren entweder direkt in den Protest, auf den sie sich mit ihrem Banner bezogen, involviert oder nahmen eine unmissverständliche Haltung der Solidarität ihm gegenüber ein.
Die Banner wurden von gestaltet von: Katarzyna Winiecka aus Wien (Fluchthilfe & Du; Februar 2014), Halil Altindere aus Istanbul (März 2014), Wealth of Negations aus London (April 2014), Nobodycorp. Internationale Unlimited aus Jakarta (Mai 2014), Etcétera aus Buenos Aires (Juni 2014), Oreet Ashery aus London (Juli 2014) und Daniela Ortiz aus Barcelona (August 2014).
“Utopian Pulse – Flares in the Darkroom” wird als Ausstellung in sieben Salons gegliedert. Die Dringlichkeit dieses Ansatzes zeigt sich, wenn das im Salon unvollkommen ausgedrückte Potenzial weder als Proto-Öffentlichkeit, noch als rein “freundliches” Besitztum gesehen wird – sondern als partieller Bruch mit der herrschenden Klassen- und Geschlechterordnung: Ein Bruch, der nicht zur öffentlichen Norm werden kann, weil er den radikalen Umsturz dessen vorwegnimmt, was das “Öffentliche” ausmacht und ein Ort für die monströse Geburt neuer Allianzen ist.
“Utopian Pulse – Flares in the Darkroom” vereint internationale Kulturproduzent_innen mit substanzieller künstlerischer und kuratorischer Praxis. Ab 11. September 2014 zeigten und diskutierten sie in der Galerie der Secession zwei Monate lang eigene Arbeiten und die anderer Künstler_innen, wobei die Beiträge der einzelnen Salons nicht lediglich hintereinander gezeigt, sondern miteinander verknüpft wurden. Die Eröffnungen der Salons fanden wöchentlich, jeweils am Mittwoch statt. Diese Form des Arbeitens soll, unabhängig von ihrer konkreten Gestalt, auch eine Befragung scheinbar fixer Rollenbilder im Feld der Kunst sein. Es geht in den Salons nicht um eine Unterscheidung zwischen “Künstler_innen”, “Kurator_innen” und “Betrachter_innen” – Ziel ist vielmehr, gemeinsam zu neuen Formen des Austausches zu finden.
Folgende Salons fanden im Rahmen von “Utopian Pulse – Flares in the Darkroom” in der Secession statt:
SALON PUBLIC HAPPINESS (Salon Öffentliches Glück), kuratiert von Christoph Schäfer, 10.-16. September 2014
SALON-E-GIRDBAD (Salon des Wirbelwinds), kuratiert von Mariam Ghani, 17.-23. September 2014
SALON ORIZZONTI OCCUPATI (Salon Besetzte Horizonte), kuratiert von Bert Theis, 24.-30. September 2014
SALON FLUCHTHILFE, kuratiert von Zanny Begg, 01.-07. Oktober 2014
SALON DADADA, AND AND AND und Ben Morea, 08.-14. Oktober 2014
CUARTOS DE UTOPÍA (Räume der Utopie), kuratiert von Pedro G. Romero/Máquina P.H., 15.-21. Oktober 2014
SALÓN DE BELLEZA (Schönheitssalon), kuratiert von Miguel A. López, 22 Oktober – 02. November 2014
Während der Ausstellungszeit wurden, ebenfalls im wöchentlichen Wechsel, großformatige, von den Künstler-Kurator_innen entworfene Banner an der Fassade der Secession gezeigt.
Utopie bedeutet Secession ohne Vorschriften.
Das Projekt wurde in einer neuen Konfiguration im Württembergischer Kunstverein, Stuttgart 2015 fortgeführt.
Eine Auswahl von Bannern wurde auf der Fassade des MOCAK – Museum of Contemporary Art, Krakau das ganze Jahr 2016 hindurch präsentiert.
Gefördert vom Austrian Science Fund (FWF) AR 183-G21.