Oil Spill Flag

Flag, 200 x 145 cm

2020

Das „Business as usual“ im fossilbefeuerten Kapitalismus führt jeden Tag zu unzähligen Katastrophen. Das größte Problem ist der globale Temperaturanstieg. Die Menschen im globalen Süden, von denen die Mehrzahl am wenigsten zur Klimaerwärmung beigetragen hat, leiden weiterhin unter ihren furchtbarsten Folgen. „Jeglicher Aufschub“, schreibt Nnimmo Bassey, „ist eben nur das, ein Aufschub. Das Problem ist, dass einige Menschen bezahlen müssen. Und die Schwächsten, die Opfer, werden mit ihrem Blut, ihrem Elend und ihren Tränen bezahlen.“ (1)

Die gesamte Erdölförderungskette, der Transport, die Raffinierung und Verbrennung, ist eine Katastrophe. Ölunfälle zerstören weltweit Meeresökosysteme und die Ölverbrennung ist der Hauptantreiber des Klimawandels, der allem Leben auf der Erde mit dem Ende droht.

Die Oil Spill Flag (Ölfleckfahne) bezeugt die Heuchelei eines der reichsten ölproduzierenden Staaten auf dem Planeten. Norwegen wird oft als weltführend bei der erfolgreichen Entkarbonisierung der Wirtschaft bezeichnet. Aber dieser Übergang wird vor allem durch fortlaufende Erdölförderung angetrieben. Die Oil Spill Flag verbindet die visuelle Darstellung der Gefahren einer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen mit der Nationalflagge Norwegens.

“Oil Spill Flag”, flag, 200 x 145 cm, 2020. Installation view: Tromsø Kunstforening, Tromsø, 2020 (photo courtesy: Tromsø Kunstforening)
“Oil Spill Flag”, flag, 200 x 145 cm, 2020. Installation view: Tromsø Kunstforening, Tromsø, 2020 (photo courtesy: Tromsø Kunstforening)

Die Oil Spill Flag wurde im Juni 2020 als Teil des von Randi Grov Berger kuratierten Projekts „Flagg Tromsø 2015–2020“ an einem Fahnenmast vor dem Tromsø Kunstforening in Norwegen ausgestellt. Die ölverschmierte norwegische Flagge setzte wilde Debatten in Gang. Konservative und rechte Lokalpolitiker_innen, darunter die Bezirksgouverneurin, wollten die Fahne abgehängt sehen. Ihnen zufolge ist ein Beschmieren des nationalen Symbols dem norwegischen Flaggengesetz nach illegal. Ihre liberaleren Gegner_innen verteidigten das Kunstwerk und verwiesen auf Norwegens Beitrag zur Klimakatastrophe.

“Oil Spill Flag”, flag, 200 x 145 cm, 2020. Flag reinstallation after theft (photo courtesy: Tromsø Kunstforening)

Zwischen dem 8. und dem 26. Juni brachten die Tageszeitungen iTromsø und Nordlys ungefähr 20 Artikel über die Flagge, einen davon auf der Titelseite. Kommentare erschienen im zu Nordlys gehörenden Meinungsblatt Nordnorsk Debatt, in Bergens Tidende und Nettavisen, auf mehreren Blogs und in Radioprogrammen (2).

Am 15. Juni wurde die Oil Spill Flag zwischen 2 und 6 Uhr morgens vom Fahnenmast entwendet, offensichtlich als Reaktion auf die allgemeine Entrüstung. Der Diebstahl wurde der Polizei gemeldet und eine neue Flagge für die Neuinstallation des Werkes bestellt. Unterdessen ging die Auseinandersetzung weiter.

iTromsø, 20/06/2020 (photo courtesy: iTromsø)

Am 19. Juni 2020 gestand Gunnar Nerdrum, ein pensionierter Staatsanwalt des Höchstgerichts, die Flagge entwendet zu haben, und sagte, er wolle sie dem Tromsø Kunstforening zurückgeben. Am selben Tag veröffentlichte iTromsø ein Foto, auf dem Kunstforening Direktor Leif Magne Tangen dabei zu sehen ist, wie er die Flagge wieder hisst. Am frühen Morgen des 20. Juni war die Flagge jedoch erneut gestohlen worden. Bisher weiß man nicht, wer hinter diesem zweiten Diebstahl der ölverschmierten norwegischen Flagge steckt.

Danach blieb der Fahnenmast leer, da Anfertigung und Anlieferung sich verzögerten. Während dieser Zeit hissten unbekannte lokale Aktivist_innen eine andere Flagge auf dem Fahnenmast vor dem Tromsø Kunstforening, um die ernsthaften Gründe für die ursprüngliche Anbringung der Oil Spill Flag wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken.

In dem Begleitbrief zu dieser unangemeldeten Aktion hieß es (im Original auf Norwegisch):

„Wir haben uns diese Flagge heimlich von Circle K in Terminalgata 24 geborgt. Wir sahen, dass Circle K (vormalig Statoil) drei Flaggen hatte, das Tromsø Kunstforening aber keine. Unsere Tat ist eine Reaktion darauf, dass die Oil Spill Flag von Oliver Ressler nicht hängen gelassen werden konnte. In diesem Zusammenhang steht die Circle K Flagge in symbolischer Symmetrie zu Oliver Resslers Arbeit. Wir haben keine direkten Verbindungen zu Tromsø Kunstforening oder Circle K und niemand hat uns für unsere Aktion Erlaubnis erteilt. Wir werden die Flagge zurückgeben, wenn wir mit ihr fertig sind.

“Oil Spill Flag” as poster insert in the magazine “The Climate Emergency in 50 Rounds”, Fotobokfestival Oslo, 2020

Nachdem Tromsø Kunstforening diese Flagge abnehmen ließ, blieb der Fahnenmast bis zum Monatsende leer, das Bild der Flagge jedoch fand und findet weiterhin in unterschiedlichen Formaten virale Verbreitung.

“Oil Spill Flag”, flag, 200 x 145 cm, 2020.(photo courtesy: Tromsø Kunstforening/Entrée)

(1) Nnimmo Bassey, Oil Politics. Echoes of Ecological Wars, Daraja Press, 2016, p. 21
(2) Den Großteil davon kann man unter folgendem Link finden: http://bit.ly/Press-OilSpillFlagg-2020