Ein Projekt von Oliver Ressler & Martin Krenn
Plakatobjekt vor der Wiener Staatsoper, 1997
Kunsthalle Exnergasse, Wien, 1997
In Österreich, Deutschland und anderen EU-Staaten ist die Zunahme sowohl offensiver als auch subtiler rassistischer Diskurse und Praktiken in den letzten Jahren unübersehbar geworden. 1997 ist von der EU zum „Europäischen Jahr gegen Rassismus” erklärt worden, wobei staatliche Rassismen in diesem Zusammenhang keine bedeutende Rolle spielten. Der Schwerpunkt wurde in erster Linie auf Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus gelegt. Auffassungen von Rassismus als Randphänomen delegieren politische Verantwortung für Rassismen auf einzelne Gruppen und Personen.
Wenig beachtet sind daher im allgemeinen rassistische institutionalisierte Praktiken gegenüber Migrant_innen, Flüchtlingen und Angehörigen von Minderheiten. Oft erregen erst extreme und gewaltsame rassistische Übergriffe die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Derartig reduzierte Wahrnehmungs- und Betrachtungsweisen definieren Rassismus als triviales Problem. Dadurch wird seine gegenwärtige gesellschaftspolitische Bedeutung marginalisiert und gettoisiert. Indem Rassismen von der Struktur der Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft abgekoppelt betrachtet werden, bleiben ihre institutionellen Verankerungen ausgeblendet. Einher geht damit die Missachtung der sozialen Konsequenzen von institutionellen Rassismen für Migrant_innen, Flüchtlinge und Minderheiten. Diese Blickwinkel tragen zur Reproduktion und Festschreibung von Rassismen bei.
Um institutionelle Rassismen (in Form von staatlich regulierten Rassismen) ins Blickfeld zu rücken, plazierten wir vom 14.10. – 27.11.1997 in der Wiener Innenstadt auf dem Herbert-von-Karajan-Platz vor der Staatsoper ein 3 x 3 x 3 m großes Plakatobjekt. Da dieser Platz von zahlreichen Tourist_innen besucht wird, zeigte das Plakatobjekt einen über eine fotografierte Hausfassade gesetzten Text über die österreichische Schubhaftpraxis in deutscher, englischer und italienischer Sprache. Diese Fassade ist Teil eines Polizeigefangenenhauses an der Roßauerlände, eines der beiden Wiener Schubhaftgefängnisse, in welchen über 50 Prozent aller Schubhäftlinge in Österreich eingesperrt sind. Die vierte Seite des Plakatobjekts informierte detaillierter, ebenfalls dreisprachig unter der Headline „Wissenswertes über Österreich” über die Schubhaftpraxis in diesem Land.
Das Plakatobjekt war Teil des Projekts „Institutionelle Rassismen“, das als Ausstellung in der Kunsthalle Exnergasse weitergeführt wurde (23.10. – 15.11.1997).. Dort wurde unter anderem ein Video mit leitenden Beamten aus Österreich und Deutschland, die wir zu Abschiebehaft und anderen Abschottungsmechanismen interviewt haben, gezeigt. Der Abteilungsleiter für fremdenpolizeiliche Angelegenheiten im Innenministerium, Dr. Widermann, und der Bundesasylamtschef von Österreich, Mag. Taucher, ein Ministerialdirigent für Asyl- und Ausländerangelegenheiten, Dr. Lehnguth, und der Ministerialdirektor des Bundesministerium des Inneren in Bonn, Dr. Rupprecht, versuchen darin, ihre Tätigkeit und die staatlichen Abschottungspolitiken zu rechtfertigen.
Damit die Ausstellungsbesucher_innen die Möglichkeit haben, die Wirkungsweisen und Auswirkungen von institutionellen Rassismen auch zu Hause zu studieren, liegen in der Ausstellung ausgewählte Info-Materialien zur freien Entnahme auf. Auf 3 Holzpodesten werden insgesamt 54 unterschiedliche Info-Blätter in Form von seitlich geleimten Papierstapeln präsentiert.