Eine 6-Kanal Videoinstallation von Oliver Ressler
2016-2020
Vor nicht allzu langer Zeit war die Erderwärmung noch Science Fiction. Mittlerweile ist sie eine Naturwissenschaft und eine Wirklichkeit, in der wir leben. Nach neuesten Berichten des eher nüchternen Weltklimarats (IPCC) nähert sich der Planet möglicherweise schneller als angenommen zahlreichen Schwellen, deren Überschreitung zu unumkehrbaren Schäden führen wird.
Der Titel „Everything’s coming together while everything’s falling apart“ (Alles fügt sich zusammen während alles auseinanderbricht) bezieht sich auf eine Situation, in der es die notwendige Technologie zur Beendigung der Ära fossiler Brennstoffe schon gibt. Die Frage, ob die momentane ökologische, soziale und ökonomische Krise überwunden werden kann, ist vor allem eine Frage politischer Macht. Die Klimabewegung ist stärker als je zuvor. Sie behinderte Pipeline Projekte, wie die Keystone XL Teersande Pipeline. Sie verhinderte Bohrungen in der Arktis und blockierte das Fracking auf der ganzen Welt. Kohlekraftwerke mussten wegen Widerstandsaktionen schließen und die Divestment Bewegung übt mit großem Erfolg Druck auf Institutionen aus, ihre Aktien von jenen Konzernen abzustoßen, die mit fossilen Energieträgern Geschäfte machen.
Die Geschichte dieses fortlaufenden Filmprojekts wird vielleicht eines Tages als die Geschichte vom Beginn der Klimarevolution gelesen werden, dem Moment, als der Widerstand der Bevölkerung zur Umgestaltung der Welt führte. Das Projekt folgt der Klimabewegung bei ihren Kämpfen gegen ein Wirtschaftssystem, das von fossilen Brennstoffen abhängig ist. Es dokumentiert Schlüsselmomente der Klimabewegung und verknüpft viele Situationen, Kontexte, Stimmen und Erfahrungen. Je ein Film handelt von einem solchen Moment.
Everything’s coming together while everything’s falling apart:
COP21
17 Min., 4K, AT/RO 2016
Im ersten Film protestieren Aktivist_innen gegen die UN Klimakonferenz in Paris, wo zu dem Zeitpunkt ein Ausnahmezustand herrschte. Wie die zwanzig davor gescheiterten jährlichen Klimakonferenzen bewies COP21 einmal mehr die Unfähigkeit von Regierungen, sich zu einem Abkommen zu verpflichten, durch das die Erderwärmung mit einer konkreten Strategie zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen aufgehalten werden könnte. Das zu Stande gekommene Klimaabkommen vermeidet alles, was den wirtschaftlichen Interessen von Konzernen entgegensteht. Dieselben Regierungen, die jetzt so tun, als könnten unverbindliche Abkommen den Klimawandel aufhalten, machen lokale Umwelt- und Klimagesetze durch ihre verbindlichen Freihandelsabkommen zu leeren Phrasen.
Regisseur und Produzent: Oliver Ressler
Kamera, Tonaufnahme: Oliver Ressler
Text: Oliver Ressler & Matthew Hyland
Schnitt: Oliver Ressler
Sprecherin: Renée Gadsden
Farbbearbeitung: Rudolf Gottsberger
Sound-Design und Musik: Vinzenz Schwab
Das Projekt wurde vom MNAC – National Museum of Contemporary Art in Bukarest für Oliver Resslers Einzelausstellung „Property is Theft“ in Auftrag gegeben und von ERSTE Foundation, BKA – Kunst und Otto Mauer Fonds gefördert.
Besonderer Dank gilt: Calin Dan, Christiane Erharter, Matthew Hyland, John Jordan, Max Liljefors, Adriana Oprea, Johanna Schwanberg, Walter Seidl und Janet Stewart.
Everything’s coming together while everything’s falling apart:
Ende Gelände
12 Min., 4K, AT/RO 2016
Im Film über die Aktion Ende Gelände geht es um den massiven Einsatz von zivilem Ungehorsam beim Braunkohletagebau in der Lausitz (bei Berlin). 4000 Aktivist_innen drangen in einen Tagebau ein, blockierten die Verladestation und die Eisenbahnschienen zu einem Braunkohlekraftwerk. Die Blockaden stoppten die Kohlelieferungen und zwangen den schwedischen Eigentümer Vattenfall, das Kraftwerk herunterzufahren. Die Aktion war Teil einer gegen die fossile Brennstoffindustrie gerichteten „weltweiten Eskalation”. Diese ruft zum „Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas” auf und setzt das direkt in die Praxis um.
Regisseur und Produzent: Oliver Ressler
Kamera, Tonaufnahme: Thomas Parb
Text: Oliver Ressler & Matthew Hyland
Schnitt: Oliver Ressler
Sprecherin: Renée Gadsden
Farbbearbeitung: Rudolf Gottsberger
Sound-Design und Musik: Vinzenz Schwab
Das Projekt wurde vom MNAC – National Museum of Contemporary Art in Bukarest für Oliver Resslers Einzelausstellung „Property is Theft“ in Auftrag gegeben und von ERSTE Foundation, BKA – Kunst und Otto Mauer Fonds gefördert.
Besonderer Dank gilt: Calin Dan, Ende Gelände, Christiane Erharter, Matthew Hyland, Max Liljefors, Adriana Oprea, Johanna Schwanberg, Walter Seidl und Janet Stewart.
Everything’s coming together while everything’s falling apart:
The ZAD
36 Min., 4K, AT/DE 2017
Im dritten Film geht es um die ZAD, Europas größtes autonomes Gebiet, das sich in der Nähe der französischen Stadt Nantes befindet. Die ZAD (zone à défendre/zu verteidigende Zone) erwuchs aus dem Widerstand gegen den Bau eines neuen Flughafens. Als die französische Regierung 2012 die Zone räumen lassen wollte, stellten sich mehr als 40.000 Menschen dagegen – die Polizei hat die ZAD seither nicht mehr betreten. Aktuell leben 250 Personen aus 60 Kollektiven dauerhaft auf der ZAD und besetzen die Auen, Felder und Wälder. Die ZAD ist ein erfolgreiches Beispiel dafür, dass die Schaffung von Alternativen und der Widerstand Hand in Hand gehen sollten. Während die Menschen dort mit selbstorganisierten Bäckereien, Werkstätten, einer Brauerei, einem Naturheilkräutergarten, einem Rap-Studio, einer wöchentlichen Zeitung und einer Bibliothek die Kontrolle über ihren Alltag wiedererlangten, verhindern sie gleichzeitig einen unnötigen, ökologisch verheerenden Flughafen. Der Film ist um eine Diskussion mit einer Gruppe von Aktivist_innen aufgebaut, die auf der ZAD leben.
Regisseur und Produzent: Oliver Ressler
Kamera: Thomas Parb
Zusätzliche Kamera: Rudolf Gottsberger
Schnitt: Oliver Ressler
Originalton, Sound-Design, Tonmischung, Schnitt und Farbbearbeitung: Rudolf Gottsberger
Teilnehmende an der Diskussion in der ZAD: Basile, Isa, JJ, Marsios, Toni
Filmaufnahmen von Operation Cesar: © LES FILMS DU ROCHER von Jean-François Castell, „Notre Dame des Luttes“, 2012
Leuchtturm Performance: Le Chant des Pavillons
Der Film wurde von < rotor > center for contemporary art, Graz, und dem Maxim Gorki Theater, Berlin, in Auftrag gegeben und auch aus Mitteln der ERSTE Foundation und des Otto Mauer Fonds gefördert.
Besonderer Dank gilt: TJ Demos, Christiane Erharter, Matthew Hyland, John Jordan, Erden Kosova, Anton Lederer, Margarethe Makovec, Walter Seidl
Everything’s coming together while everything’s falling apart:
Code Rood
14 Min., 4K, AT 2018
Der vierte Film fokussiert auf eine Aktion zivilen Ungehorsams – „Code Rood“ – die im Hafen Amsterdams im Juni 2017 stattgefunden hat. Die Blockade von Europas zweitgrößtem Kohlehafen zeichnet eine rote Linie gegen diese bedeutende Infrastruktur des auf fossilen Brennstoffen basierenden Kapitalismus. Die meiste Kohle kommt aus Kolumbien, wo sie unter ökologisch und sozial verheerenden Bedingungen abgebaut wird.
Regisseur und Produzent: Oliver Ressler
Kamera, Tonaufnahme: Oliver Ressler
Text: Oliver Ressler & Matthew Hyland
Schnitt: Oliver Ressler
Sprecherin: Renée Gadsden
Farbbearbeitung: Rudolf Gottsberger
Sound-Design: Paul Gründorfer
Besonderer Dank gilt: Egbert Born, Chihiro Geuzebroek, Matthew Hyland.
Everything’s coming together while everything’s falling apart:
Limity jsme my
10 Min., 4K, AT 2019
Der fünfte Film führt uns direkt zur Blockade des Bílina Braunkohletagebaus in Nordböhmen in der Tschechischen Republik. Im Juni 2018 drangen Klimaaktivist_innen in die Anlage ein, um den Betrieb aufzuhalten und zu insistieren, dass klimazerstörende Bergwerksbetriebe stillgelegt werden müssen. Die Blockade beruhte auf einem Aktionskonsens, dass dabei kein Sachschaden entstehen dürfe und direkte Konfrontationen mit der Polizei vermieden werden sollten. Dennoch wurden 280 von den circa 400 beteiligten Aktivist_innen festgenommen. Die Kamera folgt einer Gruppe Aktivist_innen, die in einem Polizeikessel auf ihre Ausweisung wartet. Im Hintergrund sieht man eine vom Kohletagebau entstellte Landschaft. Zu Bildern, die aus einem Gefangenentransporter gefilmt wurden, hört man die Stimme eines halb fiktionalen Charakters, der über Massenaktionen zivilen Ungehorsams reflektiert.
Regie und Produktion: Oliver Ressler
Kamera, Ton: Oliver Ressler
Narration: Oliver Ressler & Matthew Hyland
Schnitt: Lisbeth Kovacic, Oliver Ressler
Sprecherin: Michala Tumová
Farbkorrektur: Rudolf Gottsberger
Sounddesign und Musik: Vinzenz Schwab
Der Film wurde im Rahmen von “Art for the Climate” des Czech Climate Camp 2018 aufgenommen, für die Einzelausstellung “Everything’s coming together while everything’s falling apart” bei S.a.L.E.-Docks in Venedig realisiert und vom Land Steiermark unterstützt.
Dank an Limity jsme my, Marco Baravalle, Anna Gumplová, Matthew Hyland und Lenka Kukurova.
Everything’s coming together while everything’s falling apart: Venice Climate Camp
21 Min., 4K, AT 2020
Der sechste Film ist anlässlich des Klimacamps in Venedig im September 2019 entstanden, das vom No Grandi Navi (keine großen Schiffe) Komitee gemeinsam mit Fridays For Future und zahlreichen Aktivist_innen aus ganz Europa organisiert wurde. Ausgehend vom Camp am Lido drangen in der Morgendämmerung zweihundert Klimaaktivist_innen auf das Gelände des Filmfestivals Venedig ein und besetzten über neun Stunden lang den roten Teppich. Die Präsenz der internationalen Presse nutzend wurde der am Tag der Preisverleihung im Fokus der Weltöffentlichkeit stehende Ort dafür genutzt, um die Anliegen der Klimabewegung zu thematisieren. Obwohl sich die Blockade nicht direkt gegen die Internationalen Filmfestspiele von Venedig richtete, wurde von Seiten der Aktivist_innen scharf kritisiert, dass diese die wichtige Gelegenheit verpasst hätten, sich öffentlich für Klimagerechtigkeit auszusprechen.
Regie und Produktion: Oliver Ressler
Kamera: Thomas Parb
Ton: Thomas Parb, Oliver Ressler
Schnitt: Lisbeth Kovačič, Oliver Ressler
Soundschnitt, re-recording mix: Rudolf Gottsberger
Sprecher_innen im Venice Climate Camp: Marco Armiero, Nnimmo Bassey, Moira Millàn, Ornella Jurinovich
Sprecher_innen auf dem roten Teppich des Venice Film Festival: Chiara Buratti, Oumayma, Selj Serge, Marco Baravalle
Übersetzung: Anna Clara Basilicò
Der Film wurde auf Initiative von S.a.L.E.-Docks, Venedig mit Unterstützung von BKA, Stadt Wien und Austrian Science Fund (FWF: AR 526) realisiert.
Dank an Pasquale Ambrogio, Marco Baravalle, Reinhard Braun, Matthew Hyland, Mick Jagger, Lisbeth Kovačič, Gerald Raunig, Maren Richter, Gaia Righetto, Silvia Martínez Rocher, Venice Climate Camp.
Regierungen und Unternehmens-PR können uns noch so viel vormachen: Ob und wann wir auf fossile Brennstoffe verzichten, wird vor allem von sozialen Bewegungen und dem Druck, den sie auf die Institutionen ausüben, abhängen. Machtvolle Strukturen zwängen uns in ein Leben hinein, das unsere Lebensgrundlage zerstört. Diese Strukturen müssen geändert werden: nur unser gemeinsames Handeln kann sie verändern.
„Everything’s coming together while everything’s falling apart“ wurde zunächst in Form einer 2-Kanal Videoinstallation als Teil von Oliver Resslers Einzelausstellung „Property is Theft” im MNAC – National Museum of Contemporary Art in Bukarest gezeigt. Das Projekt wurde im Jahr 2020 zu einer 6-Kanal Videoinstallation erweitert.