Ein Film von Oliver Ressler
16 min., 4K, AT 2016
Dieser Film ist vom “Sommer der Migration” 2015 geprägt, als das Schengensystem für mehrere Monate außer Kraft gesetzt war und reiche europäische Staaten ihre Grenzen vorübergehend für Flüchtlinge aus Syrien und anderen Kriegsgebieten öffneten. Bald zeigte sich, dass die “Willkommenskultur” einiger europäischer Staaten nicht lange andauern würde. Manche EU Staaten reagierten auf die Flüchtlingsbewegungen, indem sie ihre Grenzen dicht machten; alle rissen sich schamlos darum, wie das schlechtmöglichste Zielland auszusehen.
“Emergency Turned Upside-Down” nimmt sich den zynischen und unmenschlichen Diskurs vor, der die Anwesenheit von Flüchtlingen in Europa als “Notstand” (emergency) bezeichnet, wo das Wort doch den Krieg, den Terror und die wirtschaftliche Strangulierung beschreibt, die die Menschen zum Aufbruch zwangen. Diese neueste Migrationswelle ist die vernünftige Reaktion der Migrant_innen auf die Kriege, die in Asien (“Mittlerer Osten” und darüber hinaus) und Afrika von westlichen Mächten geführt werden, die je nach Ausrichtung opportunistischer Interessen gewillt sind, ihre dortigen Vertreter zu stützen oder zu stürzen – “arabische Frühlinge” abzutöten oder zu befehligen.
“Emergency Turned Upside-Down” spielt sich innerhalb der momentanen gesellschaftlichen Spannung ab: einerseits das unermessliche schöpferische Potenzial einer Welt ohne Grenzen, und andererseits das engstirnige Gefängnis der Nationalität mit all seinen externen, internen und sozialen Grenzen. Der Film befasst sich mit Grenzen, die ihre alltägliche Funktion ausführen: verwalten, kalibrieren und das weltweite Passieren von Menschen reglementieren; und Menschen, die abhängig sind von dem mageren Einkommen, das aus ihrer endlosen Arbeit gepresst wird, in verschiedene Arten von Migrant_innen und Nicht-Migrant_innen aufteilen und voneinander abgrenzen. Grenzen konfigurieren die Welt und sorgen für eine ständige Zufuhr von Menschen, die zu jeder Art von Arbeit “gewillt” sind, wenn die Umstände zwingend genug sind. Aber kein noch so hoher Stacheldraht garantiert, dass diese Menschen vergeben oder vergessen werden.
Der Erzähltext steht im Dialog mit gezeichneten Animationen in schwarzweiß, in denen Linien sich überschneiden und so ein abstraktes Muster formen, das unter anderem die Form von Grenzen, Migrationsrouten, Staatsumrissen, Lebensadern und menschliche Herzfrequenzen annehmen kann.
Regie und Produktion: Oliver Ressler
Narration: Oliver Ressler & Matthew Hyland
Animation: Studio Orlinder Krinkel
Musik: Vinzenz Schwab
Mit besonderem Dank an: Edit András, Birgit Lurz, Ilona Németh, Wolfgang Schlag, Matthew Hyland, Adnan Popović, Richard Bruzek, Gerald Raunig; und Sandro Mezzadra & Brett Neilson für ihr inspirierendes Buch Border as Method, Or, the Multiplication of Labor (2013).
Der Film wurde im Rahmen von Into the City 2016 realisiert.