A World Where Many Worlds Fit

Eine Ausstellung über die Antiglobalisierungsbewegung
kuratiert von Oliver Ressler

Teil der Taipei Biennial 2008, kuratiert von Manray Hsu und Vasif Kortun

Taipei Biennial 2008, Taipeh (TW), 2008
Teilnehmende Künstler_innen: Chris DeLaurenti / Noel Douglas / Etcétera / John Jordan / Petra Gerschner / Zanny Begg & Oliver Ressler / RTMmark / Allan Sekula / Gregory Sholette / Nuria Vila & Marcelo Expósito / Dmitry Vilensky

“A World Where Many Worlds Fit”, Foreman Art Gallery of Bishop’s University, Sherbrooke (CA), 2010
Teilnehmende Künstler_innen: ATSA / Etcetera / Petra Gerschner / John Jordan / Zanny Begg & Oliver Ressler / RTMark / Gregory Sholette / Nuria Vila & Marcelo Expósito / Dmitry Vilensky

Entrance of “A World Where Many Worlds Fit” with a photograph by Petra Gerschner on the left, Taipei Biennial, Taipei, 2008 (photo courtesy Taipei Biennial)

Der bildliche Ausdruck A World Where Many Worlds Fit (Eine Welt, in die viele Welten passen) geht auf den Subcomandante Marcos zurück. Er benutzte ihn im Zusammenhang mit den zaptastischen Aufständen im Lacandonischen Regenwald. Die Zapatist_innen kämpfen seit ihrem Aufstand 1994 für eine weniger hierarchische, autonome Welt, die mehr Möglichkeiten bietet, sich in demokratische Entscheidungsprozesse einzubringen. Sie kämpfen gegen eine bestehende Welt, die sich “demokratisch” nennt, vielmehr aber als eine Form ausgeklügelter Oligarchie gesehen werden sollte, die insbesondere den Interessen der politischen und wirtschaftlichen Eliten verpflichtet ist. Während diese exklusive Welt der Eliten in Chiapas vom mexikanischen Militär und Paramilitär brutal verteidigt wird, ist der Stock zur Bestrafung derjenigen, die sich eine bessere Welt vorstellen, in dem Teil der Welt, aus dem ich komme, normalerweise weniger sichtbar. Dies kann sich aber schlagartig ändern, wenn die Mächtigen im Rahmen von Gipfeln der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds, der WTO, dem Weltwirtschaftsforum oder dem G8 zusammenkommen. Obwohl die Entscheidungen, die von Politiker_innen und Wirtschaftsbossen bei diesen Konferenzen getroffen werden, sich auf die Leben aller Menschen auf dieser Welt auswirken, finden die Verhandlungen versteckt vor der Öffentlichkeit hinter Zäunen und zehntausenden Bereitschaftspolizeitruppen statt und sind daher zu einem Symbol für das undemokratische und illegitime Wesen des globalen Kapitalismus geworden.

Gregory Sholette, “WTO Action Collectible”; Allan Sekula, “Waiting for Teargas”; in the background: Noel Douglas, “Whose World? Our World”. Installation view: “A World Where Many Worlds Fit”, Taipei Biennial, Taipei, 2008 (photo courtesy Taipei Biennial)

Zu all diesen Gipfeln versammeln sich individuelle und kollektive Singularitäten aus der ganzen Welt, um sich gegen diese Art der Entscheidungsfindung und Weltherrschaft zu stellen. Als Beginn der neuen Bewegung, die normalerweise Antiglobalisierungsbewegung genannt wird, die ich aber als Bewegung der Bewegungen bezeichnen will, wird oftmals die WTO Konferenz in Seattle 1999 genannt. Dort zeigte sich nach vielen Jahren endlich wieder deutlicher Widerstand und Protest im Zentrum des Kapitalismus und zwar so stark, dass der WTO Gipfel in Seattle abgebrochen werden musste. Seit 1999 manifestierte sich diese globale Bewegung bei jeder Konferenz von Weltbank, IWF, WTO, WEF – außer die verängstigten Politiker_innen verlegten ihre Zusammenkünfte in die Wüste oder in Diktaturen, um öffentlich sichtbaren Dissens bei den Tagungen zu vermeiden, die ja ursprünglich eigentlich zu Publicityzwecken einberufen worden waren.

Etcétera, “To Eat, To Create!”; RTMmark, “The Archimedes Project”; John Jordan, “The Clandestine Insurgent Rebel Clown Army”. Installation view: “A World Where Many Worlds Fit”, Taipei Biennial, Taipei, 2008 (photo courtesy Taipei Biennial)

Bei den Demonstrationen, Gegengipfeln und Massenblockaden kommen viele Individuen und Kollektive zusammen: Medienaktivist_innen, Clown Army, Pink Block, Naked Block, Black Block, Anarchist_innen, Sozialist_innen, Trotzkist_innen, Mitglieder von ATTAC, Menschenrechtsaktivist_innen, Feminist_innen, Migrant_innen, Künstler_innen und viele mehr. Viele Aktivist_innen wechseln zwischen Identitäten hin und her. Bei einer der Blockaden gegen den G8 Gipfel in Heiligendamm 2007 sah ich einen ganzen Pink Block in einen Naked Block aufgehen. “Vielfalt in der Taktik ist der Schlüssel”, wie Brian Holmes vor einiger Zeit schrieb (1). All diese Singularitäten haben ihre eigenen Bilder, Transparente, unterschiedliche öffentliche Erscheinungsformen und Slogans, die nicht nur etwas repräsentieren, sondern auch am Aufbau effektiver Blockaden beteiligt sind und am Aufbau eines Raumes, der ein Raum der Repräsentation, aber auch ein Raum der Aktion ist und der sich im besten Fall in andere Bereiche ausbreitet, etwa in die Wohnviertel der Aktivist_innen. Dieses neue soziale Subjekt, manchmal Multitude genannt, schafft horizontal organisierte Netzwerke und hat eine radikale Transformation der Gesellschaft zum Ziel.

RTMmark, “The Archimedes Project”. Installation view: “A World Where Many Worlds Fit”, Taipei Biennial, Taipei, 2008

Diese Ausstellung, die aus Anlass der Taipei Biennale 2008 zusammengestellt wurde, versucht, die globale Bewegung der Bewegungen durch eine Vielfalt künstlerischer Praktiken und Strategien als das großartige Beispiel kollektiver Intelligenz zu zeigen, die sie ist. Die Ausstellung zeigt, wie die Strategien der globalen Bewegung sich nach 9/11 und der heftigen Repression bei dem G8 Gipfel in Genua veränderten – beides fiel in das Jahr 2001 und hatte großen Einfluss auf das Auftreten der Bewegung in den Folgejahren. Bis 2001 schien ein relativ maskulines, militantes Konzept von direkter Konfrontation mit der Polizei im Vordergrund zu stehen. Die Menge versuchte, direkt durch die Polizeibarrieren hindurch in die roten Zonen vorzustoßen. Aber die Taktik des Widerstands scheint sich im Laufe der Zeit raffiniert weiterentwickelt zu haben. Pink Blocks und Clowns stellten diese männlich-dominierte direkte Konfrontation mit der Polizei in Frage; wie sich bei den Aktionen gegen die G8 Gipfel in Heiligendamm und (mit etwas weniger Erfolg) Gleneagles zeigte, ist es mit ausgeklügelten, raffinierten Konzepten wie der “5-Finger Taktik”(2) weiterhin möglich, die gleichen Ziele zu erreichen – nämlich, einen Gipfel zu blockieren und ein Symbol für die Illegitimität dieser Gipfel zu schaffen.

Etcétera, “To Eat, To Create!”. Installation view: “A World Where Many Worlds Fit”, Taipei Biennial, Taipei, 2008
Zanny Begg & Oliver Ressler, “What Would It Mean to Win?” Installation view: “A World Where Many Worlds Fit”, Taipei Biennial, Taipei, 2008
John Jordan, “The Clandestine Insurgent Rebel Clown Army”; Petra Gerschner, “History Is A Work In Process”; ATSA, “Le Sommet Disillusions”. Installation view: “A World Where Many Worlds Fit”, Foreman Art Gallery of Bishop’s University, Sherbrooke, 2010
Gregory Sholette, “WTO Action Collectible” (foreground). Installation view: “A World Where Many Worlds Fit”, Foreman Art Gallery of Bishop’s University, Sherbrooke, 2010

A World Where Many Worlds Fit umfasste die Werke von Künstler_innen, die sich direkt mit der Antiglobalisierungsbewegung auseinandersetzen. Allen vertretenen Künstler_innen ist ihr Engagement in den sozialen Bewegungen gemein. Es wurden keine Künstler_innen eingeladen, die sich als “neutral” gegenüber den Bewegungen positionieren. Viele der Arbeiten nehmen Bezug auf eine der Städte, deren Namen zu Referenzen für Demonstrationen, Gegengipfel und/ oder Blockaden wurden: Seattle, Prag, Salzburg, Genua, Buenos Aires, Gleaneagles, St. Petersburg oder Heiligendamm.

Natürlich lässt sich die Auswahl dieser Städte hinterfragen – sie sagt wahrscheinlich weniger über die globale Bewegung aus als über die Person, die sie für die Ausstellung ausgewählt hat, einen Künstler, der in Europa lebt. Aber trotz dieser Limitierungen hoffe ich, dass die Ausstellung anhand der Perspektiven und Interessen einiger internationaler Künstler_innen einem großen Publikum Einblick in die Bewegung der Bewegungen geben kann. Die Namen der Städte sind in großen Buchstaben augenfällig auf dem Ausstellungsboden installiert; so messen sie den Raum aus und teilen ihn in unterschiedliche Bereiche mit weitläufigem Bezug zu den ausgestellten Werken. Die Ausstellung enthält auch eine riesige Timeline zur Bewegung der Bewegungen, von der in Sydney lebenden Künstlerin Zanny Begg als 12 Meter lange Wandmalerei konzipiert. Dieser Zeitstrahl gibt der gesamten Ausstellung eine Art thematischen Rahmen, er verbindet alle Werke miteinander aber erzählt gleichzeitig seine eigenen Geschichten.


[1] Brian Holmes, Hieroglyphs of the Future (Zagreb, 2003), S. 96.

[2] Bei der “5-Finger Taktik” verbreiten sich die Demonstrant_innen über die Felder und um Polizeisperren herum, um Massenblockaden in allen Straßen zu errichten. In Heiligendamm konnten Leute, die auf dem G8 Gipfel arbeiteten, nur per Hubschrauber oder Boot dorthin gelangen. Dies war ein symbolischer Sieg für die Bewegung.